Wann haben wir aufgehört normal zu sein?

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Wann haben wir aufgehört normal zu sein?

Gar nicht.

“Du bist doch nicht normal.”

Ein Satz, fünf Worte, 21 Buchstaben – zwei davon stören mich schon seit längerem ungemein…“DU”.

“Wieso sollte ich nicht normal sein?”

Ich koche mit Wasser, muss ebenso essen um weiter zu existieren, trinke Kaffee, ich muss sogar atmen (mehrmals täglich), bewege mich aufrecht.

“Warum, verdammt nochmal sollte ich nicht normal sein?”

Ihr habt diesen Satz mit Sicherheit auch schon gehört, mehrmals. Warum seid ihr denn nicht normal? Habt ihr euch diese Frage schon einmal gestellt? Was könnte an euch nicht normal sein?

“Kocht ihr mit Wasser?” – mit hoher Wahrscheinlichkeit

“Esst ihr?” – auch das liegt im Bereich das möglichen

“Trinkt ihr Kaffee?” – die meisten höchstwahrscheinlich

“Atmet ihr?” – könnte man fast 100% geben

“Seid ihr der aufrechten Gangart mächtig?” – gebongt

Ich denke mal die meisten Leser werden mir zustimmen, dass sie normal sind. Normal heißt Durchschnitt.

Durchschnitt bedeutet wir heißen Müller, essen mehr Gemüse als Fleisch und sitzen zu viel vorm Fernseher (obwohl letzterer Punkt weniger auf uns zutrifft). Wir üben Berufe aus die normal sind. Koch, Bäcker, IT-Fachmann, Krankenpfleger, Verkäufer, Handwerker, Projektmanager – die Liste könnte man noch ewig fortführen. Wir fahren im Jahr zwei bis drei Wochen in den Urlaub und bewegen ein Auto mit 4 Rädern. Alles völlig normal und absoluter Durchschnitt. Wir sind Ehemänner und Ehefrauen, wir sind Väter, Mütter, Omas, Opas.

“Was könnte an uns also nicht normal sein?”

WIR SIND NORMAL. Oder konnte jemand etwas abnormales an sich feststellen?

Unser Hobby ist das was uns als “Nicht normal” erscheinen lässt. Zeitig aufstehen um Kilometer zu schrubben. 50 Kilometer im Kreis laufen. Bei Wind und Wetter die Schuhe an und los. Tausende von Höhenmetern im Laufschritt. Ist das tatsächlich nicht normal? Es mag als abnormal erscheinen, aber im Vergleich zu anderen Hobbys oder Tätigkeiten sind wir nicht anders, wir tun nur etwas anderes. Schachspieler hocken stundenlang über dem Brett und boxen dabei noch (gibt es tatsächlich), manche fahren 24 h mit dem Rad über den Ring, Gärtner züchten Rosen (je nach Auffassung existieren 100-250 Arten). Selbst die “Couch-Kartoffel” könnte man als abnormal bezeichnen tut er doch auch was anderes, als Andere. Also können wir doch im Umkehrschluss feststellen, dass wir alle normal sind. Nur unser Tun und Handeln unterscheidet uns.

Die Worte “Du bist doch nicht normal.” sind also falsch und sagen sich so leicht daher. Dabei sollte man mal vor der eigenen Haustür kehren. Wie normal wirkt es, wenn man stundenlang auf Bauern und Damen starrt und sich dabei die Nase blutig kloppt? Wie normal sieht es aus, wenn man mit Leidenschaft und Hingabe Rosen verschneidet? Wie normal könnte es sein, wenn man nichts anders tut als auf dem Sofa zu hocken? (Keine Angst, diese drei Dinge gelten nur als Beispiele für die Vielfältigkeit) Ich kann daran nicht verwerfliches und erst Recht nichts abnormales erkennen. Wir betrachten nur Dinge die wir selbst nicht tun und als unwirklich und sehen unser eigenes Handels als “Normal”. Und schon sind wir wieder beim letzten Satz des vorhergehenden Abschnittes angekommen. Wir alle sind so normal wie wie nur sein können. Jeder auf seine eigene Art und Weise. Und das ist doch gerade das spannende daran. Wie langweilig wäre die Welt, wenn wir alle laufen, Schachspielen, gärtnern. Es ist doch gerade diese Vielfältigkeit die die Welt so bunt macht. Die uns unterscheidet.

24 h Rad am Ring, Ötztal- Radmarathon, Tortour de Ruhr, Brocken-Challenge, unzählige Sorten Rosen, Schachboxen. Selbst 5, 10, 20 Kilometer laufen kann man hier einordnen. Auch 2 Stunden früher aufstehen entspricht schon nicht mehr der Norm. Eine Aufzählung mit der man sich noch tagelang beschäftigen könnte. Natürlich sind diese Dinge verrückt, natürlich heben sich diese Dinge von der Masse ab und dem Durchschnitt entsprechen sie gleich gar nicht. Und um diese Dinge zu tun muss man ein wenig verrückt sein. Aber unnormal sind sie bei weitem nicht. Und die Menschen dahinter erst recht nicht. Wenn man diese näher kennenlernt wird man feststellen – alles normale Leute. Normal verrückt, normal bekloppt, aber immer liebenswert und nett. 

Wir leben in einer kunterbunten, vielfältigen und interessanten Welt. Genießen wir es.

Der korrekte Satz müsste also lauten – “Es ist doch nicht normal was du tust.” Damit könnte man leben.


P.S. Ich möchte hier natürlich niemanden persönlich angreifen. Die genannten Beispiele dienen nur zur Veranschaulichung. Und der Satz, “Du bist doch nicht normal.”, ist sicherlich oftmals mit einem Augenzwinkern gemeint 😉

11 Kommentare zu „Wann haben wir aufgehört normal zu sein?“

  1. Hast du schön geschrieben. Ich habe den Text gleich mal kopiert und ausgedruckt. Wenn ich morgen zum 2. und nicht letzten mal in dieser Woche laufen gehe wird meine Frau genau diesen Satz zu mir sagen und ich werde ihr den Text geben, meine laufschuhe anziehen und loslaufen. Ist halt so wenn man nicht ganz normal ist.

    Viele Grüße Michael

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